Alles befindet sich im Aufbruch. In unserem Garten strahlt gelb der Goldflieder in der Sonne, Birke, Weißdorn und Eberesche zeigen die ersten zarten grünen Blätter und zwischen den Blumen summen eifrige Hummeln. Und auch wir brechen auf, verlassen unser kleines, blühendes Frühlingsparadies in Richtung Norden, nach Finnland.

Bei strömendem Regen rollen wir am Hafen von Travemünde auf die Fähre und erreichen eineinhalb Tage später Helsinki bei schönstem Sonnenschein. Auf den kleinen, der Küste vorgelagerten Inseln liegt noch Schnee und ein eisiger Wind weht über das Deck. Auch in Finnland stehen die Zeichen auf Veränderung: am Tag unserer Ankunft wird ein neues Parlament gewählt und die bisherige Koalition unter Führung von Sanna Marin erreicht nicht erneut die Mehrheit. Zwei Tage später, am 4. April 2023, tritt Finnland der NATO bei, ein Schritt, der die bisher so geschätzte Neutralität aufgibt und ohne den Ukraine-Krieg nicht denkbar gewesen wäre.

Wir schätzen die Natur Finnlands, die einsamen Regionen, daher halten wir uns selten lange in den größeren Städten des Landes auf. Häppchenweise lernen wir Helsinki kennen, suchen uns bei jedem Besuch ein neues Viertel aus, in dem wir dann ein bis zwei Tage verbringen, bevor es uns wieder dorthin zieht, wo weniger los ist. Dieses Mal führt uns unser Weg zum Denkmal des finnischen Nationaldichters Aleksis Kivi, das ihn in nachdenklicher Pose überlebensgroß vor dem Finnischen Nationaltheater zeigt. Zu seinen Füßen hat sich eine Gruppe Studenten niedergelassen, die schon von Weitem an ihren typischen, farbenfrohen Overalls zu erkennen sind.

Zu den Seiten des weitläufigen Platzes reihen sich die Wahlplakate der Parteien aneinander, und schon ein flüchtiger Blick darauf verrät, dass der Anteil der Kandidatinnen deutlich größer ist, als der der männlichen Mitbewerber.

Unweit des Denkmals liegt der Hauptbahnhof von Helsinki, dessen Fassade aus rotem Granit erbaut ist, dem Nationalstein Finnlands. Die vier riesigen Statuen zu den Seiten des Haupteingangs, in ihren Händen Lichtgloben haltend, sind eines der bekannten Wahrzeichen der finnischen Hauptstadt.

Egal wohin wir an diesem Wahl-Sonntag unseren Blick wenden, vielerorts weht die suomen lippu, die Nationalflagge Finnlands. Am Parlament weht die Staatsflagge, die neben dem blauen Kreuz auf weißem Grund noch zusätzlich das finnische Wappen ziert, stolz im Wind.

Gegenüber springt ein sehr außergewöhnliches Gebäude sofort ins Auge – das Oodi. Die Bibliothek von Helsinki wurde erst im Jahre 2018 eröffnet und ist ein Ort, an dem man gerne und lange Zeit verbringen kann. Neben gemütlichen Sitzplätzen mit Blick ins Freie und einem Bücherausliefer-Roboter namens Patu, gibt es auch Tonstudios, Arbeits- und Veranstaltungsräume, Kabinen, in denen allein oder in kleinen Gruppen Computerspiele ausprobiert werden können, Nähmaschinen, 3D-Drucker und Vieles mehr. Es ist ein Ort zum Arbeiten, zum Entspannen, um Altbewährtes zu nutzen und Neues auszuprobieren, für sich allein oder mit anderen. Ein Ort, der typisch finnisch ist, den wir schnell liebgewinnen, so wie auch den Rest des Landes.

Wir lassen die Hauptstadt hinter uns und schlagen eine uns wohlbekannte Richtung ein – Nordosten. Mit jedem Kilometer wird die Schneedecke zu den Seiten der Straße dicker und bald finden wir uns in der verschneiten Landschaft Nordkareliens wieder. Für Finnland ist es ein milder Winter, wir dagegen können uns kaum erinnern, wann wir das letzte Mal so viel weiße Pracht gesehen haben. An einem sonnigen Nachmittag rollen wir in Ilomantsi ein, der östlichsten Gemeinde Finnlands, direkt an der Grenze zu Russland, und freuen uns auf unsere Freunde Eija und Eero und Ostern in Finnland.