Im Jahre 1915, als der erste Weltkrieg Teile Europas ins Chaos stürzte und Finnland noch mit Russland und um eine eigene Identität rang, wurde in Vieremä im ländlichen Nord-Savo ein Mädchen geboren. Sobald ihr Vater der kleinen Eva erlaubte, ein Messer zu benutzen, entlockte sie kleinen Holzstücken einfache Tierfiguren. Eine kindliche Spielerei, mehr nicht, so schien es, denn ihr Leben als Bäuerin war damals fest vorgezeichnet. Aber sie gab ihre Leidenschaft nicht auf, im Gegenteil, sie wurde immer besser darin. Und 1934 war sie soweit, sich beim Ateneum, der Schule des finnischen Kunstverbandes in Helsinki, zu bewerben. Ihre Skulptur, "Gebrüder auf dem Teufelsstein", welche die sieben Brüder aus Alexis Kivis berühmtem und einzigem Roman zeigt, verhalf ihr zur Aufnahme. Immer wieder im Laufe ihres Lebens sollte sie auf den finnischen Nationaldichter und seine Figuren zurückkommen.

 

Heute steht die Skulptur im größten Raum ihres ehemaligen Wohnhauses in Paateri bei Vuonisjärvi unweit des großen Pielinen-Sees. Das Holzhaus strahlt eine besondere Wärme und Gemütlichkeit aus, und es wirkt, als hätten Eva und ihr Ehemann Paavo es für einen Ausflug nur kurz verlassen - ganz so, wie sie es zu Lebzeiten verfügt hatten. Die Jacken der beiden an hölzernen Haken, alte Familienfotos an der Wand und die zahlreichen Mitbringsel des reisefreudigen Paares auf Regalbrettern aufgereiht. In jedem Winkel stoßen wir auf Evas Kunstwerke. Der netzartige Holzkorb am Kamin, die organisch wirkende Treppe ins Obergeschoss aus einem einzigen langen Baumstamm, die mit Pflanzenornamenten verzierten Türen der Küchenmöbel, der Türknauf in Form eines Froschs. Und immer wieder die sieben Brüder, als beeindruckendes Relief aus der hölzernen Hauswand herausgearbeitet. Eva verstand es auf einzigartige Weise, das Schöne und das Nützliche miteinander zu verbinden und in ihrem Zuhause jede kühl wirkende Ecke durch die Wärme ihrer Holzarbeiten in eine behagliche umzuwandeln.

Sie verbrachte fünf Jahre am Ateneum, bevor der zweite Weltkrieg alle Pläne zunichte machte und sie als Freiwillige in ein Militärkrankenhaus verschlug. Dort traf sie Paavo, den sie 1944 heiratete und der fortan mit ihr zusammen den Bauernhof in Paateri bewirtschaftete, der heute Evas Vermächtnis zugänglich macht. Wann immer ihre harte Arbeit als Bäuerin es zuließ, schnitzte sie an ihren Skupturen. Sie muss das Holzschnitzen wirklich leidenschaftlich geliebt haben, denn im Laufe der Jahre entstanden so über 500 Kunstwerke. Paavo half ihr in der gemeinsam erbauten Werkstatt, dem ehemaligen Kuhstall, indem er die groben Schneidearbeiten mit der Motorsäge übernahm. Und dabei die Vögel in den nahen Bäumen durch ein eigens dafür eingebautes rundes Fenster in der Werkstattwand beobachtete.Beim Betreten ihres Ateliers, das sich unmittelbar an die Werkstatt anschließt und dessen Eingang von einer gewaltigen Eule aus dem Stamm einer kanadischen Zeder bewacht wird, empfangen uns wieder einmal Bären. Papa Bär, der zu pfeiffen scheint, und neben ihm zwei Bärenjungen, die fröhlich tanzen. Vainämöinen, der weise Alte aus der Kalevala, der finster in die Ferne schaut. Und eine Schar von Kindern, die Eva, die selbst kinderlos war, sehr gerne aus dem Gedächtnis nach dem Vorbild der Nachbarskinder schnitzte. Hier steht auch ihre letzte Figur, ein Schmetterling, den sie bei ihrem Tod im Jahre 2001 unvollendet zurückließ.

In Finnland berühmt wurde Eva erst nach einer größeren Ausstellung in Helsinki in den 1970er Jahren. Damals, sie war bereits über 60, beschloss das Ehepaar, die beschwerliche Arbeit als Bauern aufzugeben und sich fortan nur noch dem Holz zu widmen. Eines Tages erhielt Eva eine sehr große Ladung Rotherzkiefer aus Russland, um die 400 Jahre alte Baumstämme, zu groß für die Forstwirschaft. "Daraus solltest du eine Kirche bauen.", schlug ihr ein Bekannter aus dem nahen Dorf vor. Und so entstand das kleine Gotteshaus von Paateri, das durch seine großen Glasfenster wirkt, als wären die umstehenden Fichten und der es überspannende blaue Himmel ein Teil davon. Wir stehen auf einem Boden aus dicken Kiefernscheiben und bestaunen den archaisch wirkenden Altar, gefertigt aus dem gewaltigen Wurzelstock einer uralten Fichte, die bei einem Blitzschlag das Zeitliche segnete. Über uns in den Holzbalken sitzen Lämmer. Evas Meisterwerk.

 

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Hier, wo ich gerade sitze, auf der glattgeschliffenen Holzbank aus einem einzigen Baumstamm, die sich gut meinem Rücken anpasst, hat sie sicher auch manchmal gesessen. Abends, wenn die Arbeit auf dem Hof getan war, und ihre Schultern und Hände weh taten vom Schnitzen und Polieren. Hinter sich die warme Holzwand ihres Hauses, sah sie auf den See hinaus, an dessen Ufer kleine Vögel in den alten Bäumen umherflatterten. Und in der Stille wanderten ihre Gedanken wie so oft zu all den Formen und Gestalten, die noch in den dicken Stämmen schlummerten, die in ihrer Werkstatt auf sie warteten.