Das Wispern des Schilfs, das sich anhört wie tausend flüsternde Stimmen, wenn der Wind hindurch streift. Das Rufen der Vögel, das Summen der Insekten und das Quaken der Frösche. Ein Orchester, das auf Bäumen sitzt, sich im Unterholz versteckt, auf Tümpeln treibt oder sich auf den Blättern der Seerosen sonnt. Der Rhythmus wird von Wind und Wasser vorgegeben. Das ist die Musik des Donaudeltas.

Im Donaudelta unterwegs zu sein hat immer auch etwas Poetisches an sich. Die Lichtstimmungen und Spiegelungen, die abwechselnd dunkel oder lichtdurchflutet als verzerrte Abbilder der Realität auf dem Wasser wabern, die Ruhe, die wir vielerorts spüren, die Tiere, die ringsum ihren täglichen Kampf ums Überleben ausfechten, und das Schaukeln des Bootes als Spielball der Wellen und das Plätschern des Wassers, wenn es gegen die Außenwand schlägt, all das verdrängt Unwichtiges und bringt das Wesentliche zum Vorschein.

Wieder einmal sind wir mit Dan hinaus ins Donaudelta gefahren, in jenes verwirrende Labyrinth aus kleineren und größeren Wasserwegen. Mal von Weiden überwuchert und von umgestürzten Bäumen versperrt, mal offen und weitläufig. Unser Boot treibt schon eine Weile auf dem Wasser, wippt im Takt der Wellen. Der Motor schweigt. In der Ferne steht eine Gruppe Rosapelikane im warmen Licht der tiefstehenden Abendsonne. Das Gegenlicht lässt die Unmengen an Stechmücken sichtbar werden, die die Vögel umschwärmen.

 

In die Ruhe mischt sich ein fremdartiges Geräusch, kündigt sich schon von Weitem an und reißt uns aus unseren Gedanken. Lange bevor wir den Motorenlärm des sich nähernden Bootes hören, wird das Dröhnen des Basses zu uns über den See getragen. Kurze Zeit später pflügt es an uns vorüber. Randvoll mit Touristen in grellen Schwimmwesten, die Musik aus Lautsprechern kreischend, bringt es das Wasser in Aufruhr und unser eigenes Boot zum Schwanken. Die Pelikane, die vor wenigen Augenblicken noch ruhig im flachen Wasser standen, erheben sich aufgeschreckt in die Luft.

Mit den kleiner werdenden Wellen beruhigt sich auch unser Boot wieder, kehrt die Stille zurück. Aber die Gruppe Pelikane bleibt fort. Dans Gesichtsausdruck hat sich verändert, seitdem das andere Boot aufgetaucht war. Er erzählt uns, dass immer mehr Besucher beim Trip ins Delta Wert auf schnelle Motorboote und laute Musik legen, und zahlreiche Anbieter diese Bedürfnisse nur allzu gerne befriedigen. Mit ihm wird es so etwas nicht geben. Kaum jemand interessiert sich noch für das, was er zu erzählen und das Delta zu bieten hat. Wer in sein Boot steigt, erfährt etwas über die Tier- und Pflanzenwelt, hört von den Gefahren, denen sich das Biosphärenreservat durch wachsenden Tourismus seit einiger Zeit ausgesetzt sieht. Und wem die Musik des Deltas nicht genügt, der soll in ein anderes Boot steigen. Einmal mehr fühlen wir uns bestätigt, dass wir in ihm den richtigen Begleiter ins Donaudelta gefunden haben.

Ein Stück weit waren auch er und seine Frau gezwungen, dem Druck der Besucher und Mitbewerber nachzugeben. Angesichts der wachsenden Konkurrenz durch Aquaparks und Hotels sahen sich die beiden gezwungen, im Garten ihrer Pension ebenfalls einen bei Gästen so heißbegehrten Pool anzulegen. Manche Touristen sind regelrecht enttäuscht, wenn nicht direkt vor der Pension die Pelikane stehen. „Sie informieren sich nicht. Sie sehen die Fotos der Tiere und denken, sie würden wie in einem Zoo überall herumstehen“, klagt Dan.

Aber das Donaudelta erschließt sich dem Besucher nicht leicht. Man muss Zeit und Geduld mitbringen und sich darauf einlassen. Und am besten jemanden wie Dan an seiner Seite haben, der sich in den verschlungenen Wasserwegen zurechtfindet und die Plätze kennt, an denen sich die Tiere verstecken. Immer wieder sind wir beeindruckt, wie er schon aus der Ferne die teilweise perfekt an ihre Umgebung angepassten Tiere aufspürt. Wie er das macht, wollen wir wissen. „Zu fünfzig Prozent ist es Erahnen.“ Es hängt vom Ort und der Uhrzeit ab. Und dann weiß er, worauf er achten muss, wo sich bestimmte Tiere bevorzugt aufhalten. Das macht es einfacher. Während wir unseren Blick vom Wasser durch das Unterholz und die Sträucher bis hinauf in die Kronen der Bäume streifen lassen und auf jede Bewegung achten, konzentriert er seine Aufmerksamkeit nur auf bestimmte Bereiche, in denen er die Tiere vermutet. Nach ein paar Tagen werden auch wir besser, entdecken Vögel, die uns früher sicher entgangen wären.

Bei all den Bedenken fragen wir Dan, ob er in der letzten Zeit auch positive Entwicklungen im Delta erkennen kann. „Positiv für das Delta oder den Geldbeutel einzelner Menschen?“ lautet seine kurze Gegenfrage. Für diejenigen, die am Tourismus verdienen, entwickelt es sich vielerorts positiv, für das Delta nicht. Dem Donaudelta ging es zuletzt gut, als der Mensch seinen Fußabdruck noch nicht in seinem morastigen Boden hinterlassen hatte.

Als wir vor einigen Jahren zum ersten Mal das kleine Dörfchen Letea besucht hatten, bot sich uns ein idyllischer Anblick. Holzhäuser im typischen Blau und Weiß des Deltas gestrichen, Holzboote, die im schmalen Kanal an der Anlegestelle schaukelten und Fischernetze, die in der Sonne trockneten. Damals wurden noch Fahrten in Pferdekutschen angeboten, die Besucher in den nahegelegenen Wald brachten, einen streng geschützten Urwald, auf der größten Sandbank des Deltas gelegen. Doch auch in Letea bemerken wir, dass das, was einst war, heute nicht mehr ist. Die Kutschen wurden gegen Allradfahrzeuge getauscht, die heute die Touristen über sandige Pisten durchs Dorf zum Wald fahren. Die meisten Häuser abseits des Hauptweges stehen leer oder sind bereits verfallen. Immer mehr Bewohner ziehen fort, denn Arbeit gibt es kaum im Dorf. Die, die bleiben, leben von der Viehzucht und Fischerei. An den im Sommer über das kleine Dorf hereinbrechenden Besucherhorden verdient kaum einer im Ort, das Geld wandert in die Taschen der großen Anbieter von Ausflugsfahrten. Es ist ein deprimierendes Bild, das sich uns bietet und es stimmt uns traurig, zu sehen, wie rasch sich mancherorts die Dinge ändern. Im grellen Licht der hochstehenden Mittagssonne führt ein Mann sein ausgemergeltes Pferd über den staubigen Weg, vorbei an einem hölzernen Pfahl, auf dessen Spitze der knöchrige Überrest eines anderen Pferdes liegt.

Wir sind froh, wieder in unser Boot zu steigen und in vor Leben strotzende Bereiche des Donaudeltas zu fahren, wo wir kaum auf Spuren und Hinterlassenschaften der Menschheit stoßen. Überall sehen wir Jungvögel, die eifrig an der Seite ihrer Eltern nach Nahrung suchen oder sich lernbegierig ein Beispiel an deren Verhalten nehmen. Auf den Rücken eines weiblichen Haubentauchers hat sich ein Junges gekuschelt, nur der helle Kopf schaut aus dem Gefieder des Elternteils. Junge Pelikane steigen, geschickt die Thermik nutzend, nach dem Fressen an der Seite der erfahrenen Artgenossen auf in luftige Höhen, um später mühelos zu ihren Abendquartieren gleiten zu können. Und in den kahlen Bäumen sammeln sich Dutzende Kormorane, heben sich aus der Ferne nur wie Silhouetten vom hellen Himmel ab. Unscheinbar stehen die Purpurreiher im dichten Schilf am Rand der Seen und geben erst im Flug ihr buntes Gefieder preis. Majestätisch thronen die Seeadler auf den Kronen der Bäume, verteidigen sich gegen kleine Falken, die ihre Nester verteidigen. Und die flinken Bienenfresser bringen unermüdlich Schmetterlinge und Heuschrecken zu ihrem Nachwuchs, der hungrig in kleinen Erdhöhlen wartet. Selten haben wir mehr Vögel im Delta sehen und beobachten können, als bei unserem diesjährigen Besuch. Und das gibt uns Hoffnung und bestärkt uns darin, dass es sich lohnt, die eigenen Bedürfnisse in Frage zu stellen und sich selbst zurückzunehmen, so dass am Ende das Wohl des Deltas mit all seinen Bewohnern im Fokus steht und nicht der Pool, nicht die laute Musik und die Geschwindigkeit, mit der man das Motorboot durch die engen Wasserstraßen oder über offene Seen mitten durch Vogelschwärme jagt. Denn die Musik des Deltas ist nur zu hören, wenn es ringsum still ist, und sie darf nicht verstummen.