Nach über zehnjähriger Abstinenz von Frankreich kehren wir im vergangenen Herbst wieder in das Land zurück, in dem wir früher mindestens einmal im Jahr waren. Wie zu erwarten hat sich viel verändert – und es scheint zunächst auch so, als hätte uns das Reiseglück verlassen.
Eines ist aber gleich geblieben: Sobald wir die Grenze überqueren, merken wir sofort, dass wir in einem anderen Land sind. So ging es uns auch früher jedes Mal, wenn wir in Frankreich unterwegs waren, und es ist im ersten Moment gar nicht so leicht herauszufinden, woran das genau liegt. Aber schauen wir uns dann ganz bewusst um, entdecken wir auf den Feldern noch grasende Kühe und Schweine im Matsch. Ein Anblick, der vielerorts bei uns mittlerweile Seltenheitswert erlangt hat und wo man schon von Freilufthaltung spricht, wenn im Viehstall ein Fenster geöffnet werden kann. Es gibt noch Hecken, die Unterschlupf für Tiere bieten, und in den Dörfern Rasen, der höher als zwei Zentimeter sein darf. An den Wänden der Häuser darf Efeu klettern und Moose und Flechten sorgen für bizarre Muster auf den Dächern. Wo wir zu Hause mit unserem natürlichen und wilden Garten die Ausnahme in der Nachbarschaft sind, würden wir hier in Frankreich nicht auffallen. In Guimiliau erzählt uns der ältere Herr, der in einer alten Kapelle Bücher und Postkarten verkauft, dass Besucher aus Deutschland immer wieder anfangen würden, das Gras aus den Ritzen der Außenmauern der Kirchenanlage zu zupfen. Und jedes Mal müsse er sie davon abhalten, weil sie damit die alten Gemäuer beschädigen.
Aber bevor wir all das so richtig genießen können, müssen wir zunächst zwei Wochen überstehen, in denen sich Regen mit tiefhängenden Wolken abwechselt. Könnte stimmungsvoll sein in einer Gegend wie der Bretagne. Ist es aber nicht. Das Licht ist nichtssagend und ausdruckslos, lässt die Landschaften kontrastlos erscheinen. Ein wenig frustriert lassen wir die Kameras zunächst beiseite liegen oder nehmen sie nur widerwillig in die Hände. Und zum ersten Mal lässt uns auch die Technik auf einer Reise im Stich. Die Hauptplatine unseres Laptops verweigert den Dienst und so können wir nicht wie sonst üblich von unterwegs schon Bilder sichten und bearbeiten und die entsprechenden Blogeinträge schreiben. Lästig, aber kein Beinbruch. Immerhin können wir die Fotos auf externe Festplatten sichern und haben genügend Speicherkarten dabei, um unterwegs keine Bilder löschen zu müssen.
Nachdem wir in den letzten Jahren hauptsächlich in Rumänien und Finnland unterwegs waren, beides Länder, die vor allem zur Nebensaison nicht allzu stark von Besuchern überrannt werden, müssen wir uns erst wieder an so viele Menschen gewöhnen. Frankreich ist eines der liebsten Reiseländer und unsere Hoffnung, dass sich die meisten Besucher im Herbst anderen Gefilden zuwenden, erfüllt sich leider nicht. Man kann es ihnen nicht verübeln, denn der Norden Frankreichs ist definitiv eine Reise wert und überaus fotogen.
Unser erstes Ziel ist der sagenumwobene Wald von Paimpont, auch Brocéliande genannt, in dem der Zauberer Merlin begraben sein soll und eine Quelle ewige Jugend verspricht.
Auf der Suche nach dem verlorenen Zauber streifen wir eine Weile durch die gewaltige Megalith-Anlage von Carnac, die, wie viele andere Orte auf unserer Erde, aber durch die Besucherströme heute zu einer reinen Kulisse verkommen ist, in der Menschen etwas Ursprüngliches und Authentisches zu finden hoffen, das schon lange verschwunden ist. Aber die Bretagne ist voller Steinkreise und Dolmen und Menhire aus einer Zeit, als die Welt noch voller Geheimnisse und Schrecken für die Menschen war. Und die meisten von ihnen stehen einsam in der Natur und lassen uns doch noch ein wenig von dem Zauber spüren.
An der Westseite der schmalen Quiberon-Halbinsel trotzt die Côte Sauvage den Naturgewalten.
In Port-Bélon, am Mündungstrichter des Flusses Bélon, essen wir die berühmten und heute eher selten gezüchteten huîtres plates (Europäische Austern) - traditionell mit Zitrone, dunklem Brot, Butter und einem Gläschen Cidre.
Die Altstadt von Concarneau, die Ville close, ist von dicken Festungsmauern umgeben und liegt auf einer kleinen Insel.
In der Nähe der Pointe de Penmarch steht nicht nur der Leuchtturm von Eckmühl aus dem Jahre 1897, einer der höchsten Leuchttürme Europas. Hier haben Wind und Wasser bei St-Guénolé auch beeindruckende Kunstwerke aus den Uferfelsen geformt.
Etwas weiter nördlich steht der älteste Calvaire der Bretagne neben der kleinen Kapelle Notre-Dame de Tronoën.
Der kleine Bilderbuchort Locronan, der als eines der schönsten Dörfer Frankreichs gilt, hat eine zum Großteil erhaltene mittelalterliche Altstadt. Locronan diente immer wieder als Filmkulisse, so zum Beispiel für die deutsche Serie "Silas" mit Patrick Bach.
Das kleine Fischerdörfchen Camaret-sur-Mer auf der Halbinsel Crozon begeistert uns mit seinem Hafen mit dem wuchtigen Vauban-Turm und der Seefahrer-Kapelle Notre-Dame de Rocamadour und den vielen gemütlichen Restaurants, in denen es hervorragende moules frites gibt.
Einen Fußmarsch entfernt von Camaret-sur-Mer ragt die Pointe de Penhir in den Atlantik. Besonders in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden genießen wir hier einen herrlichen Ausblick auf die Tas de Pois, die Erbseninseln. Entlang der Küste stoßen wir, wie an so vielen Stellen in der Bretagne und Normandie, immer wieder auf Überreste des Atlantikwalls.
Ganz besonders war für uns die Zeit beim Leuchtturm St-Mathieu, dem wir vor 26 Jahren, bei einer unserer ersten gemeinsamen Reisen, schon einmal einen Besuch abgestattet hatten. In unmittelbarer Nachbarschaft des Leuchtturms steht die malerische Ruine einer Abtei.
An der Côte de Granit Rose türmen sich riesige, bizarre Felsen und Steine aus hellrotem Granit zu einer eigentümlichen Landschaft. Der Leuchtturm von Ploumanac'h markiert einen Einstieg in den Zöllnerpfad, auf dem sich die Granitküste bis nach Perros-Guirec und drüber hinaus erkunden lässt.
Im Fort de la Latte an der Côte Emeraude wurde unter vielen anderen der Film "Die Wikinger" von 1958 mit Kirk Douglas und Tony Curtis gedreht. Auf dem runden Turm lieferten sich die beiden Hauptfiguren einen legendären Schwertkampf.
Einer der Orte in der Bretagne, der uns am meisten und nachhaltigsten beeindruckt hat, ist die Altstadt Intra-Muros von Saint-Malo. Dabei ist dieser Teil der Stadt gar nicht so alt, wurde er doch im Jahre 1944 im Kampf zwischen Deutschen und Alliierten nahezu vollständig zerstört, danach aber fast originalgetreu wieder aufgebaut. Die tiefen, gleichförmigen Häuserschluchten erinnern uns an den Film "Dark City" und auf den gewaltigen Festungsmauern läßt sich Saint-Malo wunderbar erkunden.
Knorrige, vom Meerwasser gezeichnete Baumstämme dienen als Wellenbrecher zum Schutz der Gebäude an der Strandpromenade; bei Stürmen kann das Wasser sich hier meterhoch auftürmen.
Im Stadtteil Rothéneuf von Saint-Malo lebte Ende des 19. Jahrhunderts ein Priester, der wegen gesundheitlicher Probleme seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Also begann er eines Tages, in die Uferfelsen Figuren zu schlagen - am Ende waren es etwa 300 Skulpturen, die bis heute der Witterung trotzen: die Rochers Sculptés.
Ken emberr, Breizh! (Bis Bald, Bretagne!)